Bikepacking bezeichnet das mehrtägige oder gar mehrwöchige Radreisen abseits asphaltierter Fernstraßen, bei der Ausrüstung ultraleicht in kompakten Rahmentaschen, Sattel– und Lenkertaschen verstaut wird. Im Gegensatz zum klassischen Radwandern mit Gepäckträgern und Packtaschen liegt der Fokus auf Geländegängigkeit, geringem Gesamtgewicht und sportlichem Fahrverhalten. Bikepacking stellt somit eine Schnittmenge aus Mountainbiking, Trekking und Minimal-Camping dar.1
Historische Entwicklung
Obwohl Radreisen bereits im 19. Jahrhundert populär waren, erhielt die Bewegung des Bikepackings ihren eigentlichen Schub in den 1980er-Jahren in den USA. Dort begannen Geländeradpioniere wie John Stamstad, ultraleichte „soft bags“ direkt am Rahmen zu befestigen, um Rennen wie das Great Divide Mountain Bike Route selbstversorgt zu bewältigen2. Die Antwort aus Europa erfolgte wenig später aus dem Alpenraum, wo Alpenüberquerungen auf Forstwegen eine ähnliche Ausrüstung verlangten.
Ab ca. 2010 verbreiteten sich spezialisierte Taschenhersteller (u. a. Revelate Designs, Apidura, Ortlieb) weltweit, während Langstreckenrennen wie der „Transcontinental“ in Europa oder das „Silk Road Mountain Race“ in Kirgisistan Bikepacking massentauglich machten.
Typische Ausrüstung und Packstrategien
Es gibt eine große Auswahl an passenden Ausrüstungsgegenständen, wenn man mit dem Bikepacking starten will.3 Hier eine Übersicht:
- Fahrrad: Häufig Gravelbikes oder Hardtail-MTBs mit Reifenbreiten von 40 – 60 mm; entscheidend sind Befestigungspunkte (z. B. Ösen am Unterrohr) und ausreichende Reifenfreiheit.
- Rahmentasche (Frame Bag): Nutzt das Rahmendreieck optimal; dort liegen schwere, kompakte Gegenstände wie Werkzeuge, Kochsystem und Akkus.
- Satteltasche (Seat Pack): Volumen 5 – 14 l; Kleidung und Schlafsack, da Gewichtsverlagerungen beim Wiegetritt gering sind.
- Lenkertasche (Handlebar Roll): Transportiert längliche, leichte Gegenstände wie Isomatte oder Zeltgestänge und beeinflusst Lenkverhalten nur moderat.
- Zusätzliche Unterbringung: „Top-Tube-Bags“ für Snacks / Elektronik, „Fork Cages“ an der Gabel für Wasser oder Trockenfutter.
Reduziert werden klassischerweise Doppelungen (eine Titanium-Tasse dient zugleich als Topf), während Hochleistungsmaterialien wie Dyneema® oder Sil-Nylon Gewichte zwischen 8 – 12 kg inklusive Wasser und Verpflegung ermöglichen.
Routenplanung und Navigation
Bikepacking-Routen priorisieren verkehrsarme Gravel-Pisten, Singletrails und Feldwege. Digitale Planungsplattformen wie Komoot, RideWithGPS oder Bikepacking.com erleichtern das Zusammenstellen von GPX-Tracks inklusive Höhenprofilen und Versorgungsstellen. Bei Expeditionen in entlegene Gebiete wird das Kartenmaterial oft lokal auf Geräten mit e-Ink-Display (z. B. Garmin eTrex) gespeichert, um Strom zu sparen. Dabei gilt die Faustregel, Tagesetappen durch den niedrigsten gemeinsamen Nenner aus Gelände, Wetter und persönlicher Kondition zu bestimmen – 60 km Offroad können mental fordernder sein als 120 km Asphalt.
Physiologische und technische Anforderungen
Anders als bei reinen Marathon- oder Gravel-Rennen entscheidet beim Bikepacking nicht Maximalgeschwindigkeit, sondern konstante Leistungsbereitschaft über Tage oder Wochen. Typisch sind Herzfrequenzen im unteren GA2-Bereich, während nächtliche Regeneration unter minimalistischen Bedingungen erfolgt (Schlafzeiten häufig < 6 h bei Rennen). Die Technikbelastung zeigt sich in häufigen Brems- und Schaltvorgängen sowie in Tragepassagen, weshalb Dropper-Sattelstützen und 1× Schaltsysteme beliebt sind.
Sicherheit und Risikomanagement
- Beleuchtung: Dauerbetrieb fester Scheinwerfer mit Powerbank- oder Nabendynamo-Ladung ist unerlässlich; Blinkmodi werden in vielen Ländern nur als Zusatzlicht akzeptiert.
- Werkzeug & Ersatzteile: Kettenschloss, Speichen-Nippelspanner, Tubeless-Plug-Kit und Faltmantel mindern Pannenrisiken.
- Notfallkommunikation: Satelliten-Tracker (Garmin inReach, Spot) bieten abseits des GSM-Netzes Zwei-Wege-SOS; ein wasserdichter Papier-Backup der Route ist Pflicht.
- Wetterextreme: Ultraleichte Daunenbekleidung und wasserdichte Bivy-Bags erlauben Biwaks unter Null °C, während Sonnenschutz (langärmlige Shirts, Buff) Hitze-Stress reduziert.
- Verkehr und Wildtiere: Besonders in Bärengebieten Nordamerikas oder beim Queren von Salzsteppen Zentralasiens sind Verhaltensregeln (Geruchssicherung, Abstand) zu beachten.
Auswirkungen auf die Gesundheit
Bikepacking verbindet Ausdauertraining, Kraftbelastung und intensive Naturerlebnisse – ein Mix, der sich ausgesprochen positiv auf Körper und Geist auswirken kann.
Kardiovaskuläre Fitness: Mehrstündige, moderat anstrengende Etappen trainieren Herz-Kreislauf-System und Lunge. Regelmäßige Bikepacking-Touren können den Ruhepuls senken, das Schlagvolumen des Herzens erhöhen und den systolischen Blutdruck um einige Millimeter Quecksilber reduzieren.4
Muskuläre und knochenstärkende Effekte: Die permanente Beanspruchung großer Muskelgruppen – besonders von Quadrizeps, Gesäß- und Rumpfmuskulatur – verbessert Kraft und Stabilität. Steile Anstiege sowie gelegentliche Trage- oder Schiebepassagen setzen kurze Spitzenbelastungen, die zusätzlich die Knochendichte fördern.
Stoffwechsel und Gewichtskontrolle: Tagesenergieumsätze von 4 000 Kilokalorien oder mehr steigern die Fettoxidation, begünstigen Gewichtsreduktion und erhöhen die Insulinsensitivität. Damit wirkt Bikepacking präventiv gegen Übergewicht und Typ-2-Diabetes, sofern der erhöhte Kalorienbedarf nicht ausschließlich mit zucker- oder fettreichen Snacks kompensiert wird.
Psychische Gesundheit: Der längere Aufenthalt in der Natur, das Gefühl von Selbstwirksamkeit und wiederkehrende Flow-Erlebnisse senken nachweislich Stresshormone. Viele Fahrer*innen berichten von besserer Stimmung, gesteigertem Selbstbewusstsein und einer Verringerung von Symptomen bei Angststörungen oder Depressionen.
Einzelnachweise
1. Definition Bikepacking
2. Great Divide Mountain Bike Route
3. Bike Packing – welche Taschen gibt es?
4. Mit Fahrradfahren das Herz kräftigen
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